STADTMUSEUM AICHACH

Die Aichacher Löwen

Justina Bayer


Ein vom Motiv und der Anordnung der Tiere her ähnlicher Stein aber mit quadratischem Grundriss befindet sich im Bayerischen Nationalmuseum. Auf dieser Seitenansicht werden in kleineren Dimensionen jedoch menschliche Gesichtszüge gezeigt und nicht wie im Aichacher Beispiel Löwen. Es handelt sich dabei um eine romanische Basis, die um das Jahr 1250 zurückgeht. Auch die Aichacher Löwen, wie hier abgebildet, werden ebenfalls auf diese Jahre datiert und bilden somit das älteste Exponat des Aichacher Stadtmuseums. (Foto: Philipp Rein)

Ein besonderer Fund
Die bayerische Landesausstellung 2020 behandelte die Stadtwerdung ab dem 13. Jahrhundert. Viele Objekte, die dies illustrierten, gingen nach Friedberg, wo sie während der Landesausstellung zu besichtigen waren. Einige Objekte verblieben wegen logistischer Probleme aber auch während dieser Zeit im Stadtmuseum Aichach, die man nach der Schließung hier wieder begutachten kann. Ein solches Objekt sind die sogenannten „Aichacher Löwen“, die uns heute vom mittelalterlichen Aichach erzählen. Genau in die Zeit der Entstehung dieses Steins fällt der Wegfall der Burg in Oberwittelsbach und die Übertragung der Besitzungen an Ludwig den Kelheimer. Dieses entstandene Machtvakuum füllte danach der Deutsche Orden aus, als ihm die Pfarrkirche durch Ludwig den Kelheimer übertragen wurden.
Bei den Renovierungsarbeiten an der Stadtpfarrkirche 1976 wurde dieser 7 zentnerschwere Sandsteinblock unmittelbar unter dem Pflaster des Mittelganges entdeckt. Trotz des bruchstückhaften Aussehens kann man tierartige Formen und maskenähnliche Reliefs an den Seiten des Steinblocks erkennen.

Himmel und Hölle
Zwei löwenartige Tiere, deren Köpfe allerdings fehlen, kauern an den Längsseiten des Quaders. Die seitlichen Flügel sind zwar abgeplatzt, ihre Formen lassen sich aber noch erahnen. Diese Tiere, die in der mittelalterlichen Symbolsprache Bezwinger der Dämonenwelt sind, beschützen mit ihren Vorderseiten das Gesicht eines engelhaften Wesens, das friedlich lächelnd dargestellt ist. Genau das Gegenteil finden wir dann an der gegenüberliegenden Rückseite. Eingerahmt von den Hinterteilen der Löwen ist ein fratzenhaft verzerrtes Gesicht mit drohend gefletschten Zähnen, weit aufgerissenen Augen und Hörnern auf der niederen Stirn zu erkennen. Diese Gegenüberstellung von Engelsgesicht und Dämonenfratze entspricht der mittelalterlichen Vorstellung von Gut und Böse, Tugend und Laster, Himmel und Hölle. Nur durch die Taufe kann der sündige und triebhafte Mensch diesen Gegensatz überwinden.
Mit etwas Kombinations- und Vorstellungsgabe fügen sich die erkennbaren Details so zusammen, dass man sich die ursprüngliche Gestalt des gesamten Taufbeckens nun gut vorstellen kann. Für den langjährigen Kunstpädagogen Gottfried Hecht zeigt der Stein offensichtlich, dass dieses vor Jahrzehnten aus dem Boden der Stadtpfarrkirche geborgene Relikt der Sockel des altehrwürdigen mittelalterlichen Taufsteines ist. Der Betrachter muss nun etwas Phantasie aufbringen, um sich zu diesem romanischen Sockel das dazugehörige Taufbecken vorzustellen.